„Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ Schon in frühen Jahren werden Jungen mit solchen Aussagen konfrontiert. Inwiefern bestimmt das ihre spätere Selbstwahrnehmung und ihr Gesundheitsempfinden? Mit solchen Hintergedanken soll das Thema der Gesundheitsvorsorge bei Männern betrachtet werden.
Aber was genau verbirgt sich überhaupt hinter diesem Begriff? Unter Gesundheitsvorsorge versteht man alle Maßnahmen, mit denen die Gesundheit eines Menschen möglichst lange erhalten bzw. einer möglichen späteren Erkrankung vorgebeugt werden soll (vgl. Dudenredaktion). Solche Vorsorgeangebote dienen der frühen Erkennung von häufig auftretenden Erkrankungen, um sie dadurch möglichst gut behandeln bzw. heilen zu können. Eine ziemlich sinnvolle Sache, oder?
Aber scheinbar gehen Männer nicht gerne zum Arzt. Wir werden oft als „Vorsorgemuffel“ bezeichnet. Ist das gerechtfertigt? Nehmen wir die eigene Gesundheit nicht so wichtig?
Tatsächlich gibt es bei der Inanspruchnahme von Vorsorgeangeboten eine hohe männliche Zurückhaltung, nur jeder Fünfte nutzt solche regelmäßig. Und dabei sterben Männer im Schnitt fünf Jahre früher als Frauen. Männer leben statistisch gesehen riskanter, trinken mehr Alkohol, sind öfter übergewichtig und rauchen mehr. Wie die britische Krebsforschungsgesellschaft veröffentlichte, war 2013 die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu sterben bei Männern um 35% höher als bei Frauen (vgl. Informationszentrum für Prävention und Früherkennung). Hinzu kommt, dass wir unsere körperliche Verfassung scheinbar besser einschätzen, als sie es tatsächlich ist (vgl. Stiehler; Weißbach, S. 23).
Wäre es beim Lesen dieser Forschungsergebnisse nicht höchste Zeit als Mann seiner Gesundheit vorzusorgen und sich regelmäßig „durchchecken“ zu lassen? Und welche Angebote gibt es überhaupt dafür? Hier ein grober Blick auf die von der Krankenkasse bezahlten Vorsorgeoptionen für Männer:
ab 18 Jahren
Impfungen für Erwachsene (alle 10 Jahre)
ab 35 Jahren
„Check-Up 35“ (alle 2 Jahre): Überprüfung der Blut- und Urinwerte zur Früherkennung von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie Diabetes
Hautkrebsscreening (alle 2 Jahre)
ab 45 Jahren
Krebsfrüherkennung (jährlich): Tastuntersuchung der Prostata und der äußeren Geschlechtsorgane
ab 50 Jahren
Darmkrebsfrüherkennung (jährlich bis zum 55. Lebensjahr): Test auf verborgenes Blut im Stuhl und Tastuntersuchung des Enddarms
Ab 55 Jahren
Darmkrebsfrüherkennung: Darmspiegelung (alle 10 Jahre) oder Stuhltest (alle 2 Jahre)
ab 60 Jahren
Grippeschutz (jährlich): Standardimpfung gegen Influenza & Pneumokokken-Schutzimpfung
(vgl. Informationszentrum für Prävention und Früherkennung)
Darüber hinaus gibt es Empfehlungen wie das selbstständige monatliche Abtasten der Hoden auf Verhärtungen oder Vergrößerungen als Krebsprävention. Auch sollten sich z.B. Männer mit vielen verschiedenen Sexualpartnerinnen oder -partnern regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Generell gilt es bei Beschwerden oder Unsicherheiten lieber heute als morgen zum Arzt zu gehen.
In der obigen Übersicht fällt auf, dass sich die Vorsorgeangebote ausschließlich auf den Körper beziehen. Die psychischen Aspekte werden nicht berücksichtigt. Dabei ist in den letzten Jahren sogar ein Anstieg von psychischen Störungen bei Männern erkennbar gewesen. Es bleibt offen, ob dies Ausdruck einer verschlechterten Gesundheitssituation oder eines besseren und offeneren Umgangs von Männern mit ihren Problemen ist.
Interessant und widersprüchlich zugleich ist die gemäß zahlreichen Studien und Statistiken nur halb so hohe Depressions- aber dreimal höhere Suizidrate im Vergleich zu Frauen. Die für Männer typischen nach außen gerichteten Symptome (Aggressivität, Risikofreude, Griff zu Alkohol und Drogen) überdecken oft die klassischen Depressionsanzeichen wie Niedergeschlagenheit und Selbstzweifel. Männer geraten ebenfalls in seelische Notsituationen. Allerdings verschweigen sie diese häufig und Ärzte fragen selten nach. Für gewöhnlich gelten sie nur als krank, wenn es der Körper ist. Dabei können sich körperliche sowie seelische Probleme sogar gegenseitig bedingen. Psychische Erkrankungen bei Männern werden so häufig übersehen, fehlgedeutet und nicht bzw. falsch behandelt (vgl. Hausschild 2013).
Das Selbstverständnis von Männern kann gesundheitsschädigend sein, muss es aber nicht. Ein einheitlicher Männerbegriff ist sinnlos, da sie sich nach sozialer Schicht, Lebensphase, sexueller Orientierung, etc. unterscheiden. Daran gekoppelt sind auch verschiedene Lebenserwartungen und ein unterschiedliches Gesundheitsverhalten. Gesellschaftlich gibt es oft aber noch einseitige Vorurteile gegenüber Männern, die ebenfalls auf die medizinische Fachwelt übergreifen können. Es sind also auch die Vorsorgeangebote und Strukturen der psychischen Versorgung, die sich verändern müssen – sie müssen an die Männer angepasst werden, da sie oftmals noch nicht deren Lebenswirklichkeiten entsprechen (vgl. ebd.).
Diese Erkenntnis darf aber nicht davon ablenken, dass wir Männer ebenfalls Verantwortung für unser seelisches und leibliches Wohl übernehmen müssen. Wie können wir dies tun und unser Gesundheitsverhalten verbessern?
Wir sollten das Zulassen von Schwäche als Teil und Stärke eines Konzeptes von Männlichkeit sehen. Dazu gehört es Krisen und Nöte zu akzeptieren. Nicht nur die uns umgebenden Strukturen sind gefordert etwas zu ändern, auch wir sollten uns rechtzeitig Hilfe suchen und diese annehmen. Dadurch ist es zudem eher möglich Reserven der Angebote zu erkennen und darauf aufmerksam zu machen.
Indianer kennen sehr wohl Schmerz. Es gilt diesen aber nicht zu ignorieren, sondern als Warnzeichen des Körpers bzw. Geistes anzuerkennen. Man sollte ihn überwinden, indem man sich helfen lässt oder ihn schon vorausschauend durch die Inanspruchnahme von Vorsorgeangeboten mindern.
Peter Ivanics
Quellen und weiterführende Links:
Dudenredaktion: Gesundheitsvorsorge auf Duden online. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Gesundheitsvorsorge – Download vom 18.12.2018.
Informationszentrum für Prävention und Früherkennung: Vorsorge für Männer. Auf zum Gesundheits-TÜV! URL: https://www.vorsorge-online.de/patienten/vorsorgefinder/vorsorge-fuer-maenner/ – Dowload vom 18.12.2018.
Hausschild, Jana (2013): Gesundheitsbericht. Ärzte ignorieren seelisches Leid der Männer. Letzte Aktualisierung: 24.04.2013. URL: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/maennergesundheitsbericht-aerzte-ignorieren-psychisches-leid-der-maenner-a-896116.html – Download vom 18.12.2018.
Stiehler, Matthias; Weißbach, Lothar (Hrsg.): Männergesundheitsbericht 2013. Im Fokus: Psychische Gesundheit. Bern: Verlag Hans Huber.