Wer kennt das nicht: Kaum nach einem harten Tag in Job oder Ausbildung beim Spätfilm auf dem Sofa weggesackt, wird man(n) vom herrischen Kommando “Ruf mich an!” aus dem Couchkoma gerissen. Mehr Einladung geht doch nicht.
Gewerbliche Angebote
Glück hat derjenige, der beim Zappen durch das Nachtprogramm erfährt, dass geile Frauen aus seiner Umgebung auf einen Anruf warten. Spätestens, wenn die scharfe Monique, Chantal oder wie auch immer sich schon mal mit Seifenschaum einreibt oder sich auf dem Laken räkelt, bis du endlich ihre Nummer wählst, bleibst du vor der Glotze hängen. Bei dem Gedanken sieht man(n) doch keine klaren Bilder mehr – schon gar nicht die unten eingeblendeten Telefongebühren.
Ist ja auch nicht notwendig. Der maximal für Telefonmehrwertdienste (z.B. 0900er Rufnummern) erlaubte Tarif beträgt knapp zwei Euro pro Minute, den die meisten Anbieter auch nehmen. Die Gegenleistung? Von abgespielten Tonbändern mit erotischen Geschichten oder Monologen über reale Einzelgespräche bis zum Zuschalten in eine “Telefonsex-Orgie” ist alles dabei. Auf die Frage nach den Wünschen vom anderen Ende der Leitung kann man(n) diese äußern. Für ihre Erfüllung braucht man oft nur etwas Phantasie: die Vorstellung von der willigen “Studentin”, von der einsamen “Hausfrau”, vom heißen Gay-Sex, von der wilden Sex-Orgie, der S/M-Nummer. Die Bilder entstehen im Kopf.
Und (unter Umständen teurer) Spaß ist, was gefällt. Es bleibt Sex auf Distanz, bei dem vermeintlich alles erlaubt ist. Wer jedoch glaubt, dass die Frauen (oft Angestellte eines Dienstleisters) alle Perversitäten mitmachen, irrt sich. Auch sollte man bedenken, dass beim “Belauschen” einer “Orgie” schnell selbst zum Belauschten und durch eventuelle Hintergundgeräusche identifiziert werden kann. Für den Anrufer, den Nutzer von Telefonsex-Lines, ist es die Anonymität, der Platz in der Loge, die Befriedigung spezieller Wünsche, die Fiktion – für den Telefonsex-Anbieter ist es ein dickes Geschäft.
Privater Telefonsex
Weniger um Anonymität, mehr um Intimität geht es bei privatem Telefonsex.
Nicht nur eine längere räumliche Trennung bringt Paare (bevor sie ganz auf die Mitwirkung des jeweils anderen verzichten) dazu, sich am Telefon ihre erotischen und sexuellen Phantasien mitzuteilen und Telefonsex zu praktizieren. Sich vorzustellen, was der Partner/die Partnerin am anderen Ende gerade tut oder noch tun könnte – ganz unabhängig davon oder vielleicht gerade in Erinnerung daran, wie dies bei einem realen körperlichen Kontakt stattfinden würde – macht den Reiz aus. Die Stimme, nicht nur das was, sondern auch wie es gesagt (geflüstert / gekeucht / gehaucht / geschrieen) wird, sind Schlüssel zum “Erfolg”. Bleibt nur, dass man nach genügend Input selbst Hand oder anderes anlegen muss oder darf.
Das Wissen, dass der/die andere gerade unerreichbar fern ist, kann das Verlangen zusätzlich noch unvergleichlich steigern. Dabei gelingt es vielen aus der Distanz bisher unausgesprochene Wünsche zu äußern, geheime Phantasien auszusprechen, was für beide ein lustvolles Erlebnis und eine Bereicherung für die Partnerschaft sein kann.
Also: Beim ersten Kennenlernen Handynummern ausgetauscht – schon ist der Grundstein für eine vielleicht neue prickelnde Erfahrung gelegt. Jedoch soll damit unerwünschten Sex-Anrufen nicht Tür und Tor geöffnet sein. Auch hier gilt: Spaß ist, was beiden gefällt … und im Zweifel kann man ja zunächst per SMS mal nachfragen.
Oliver Wolf
weiterführende Literatur:
Nicole Kuhlert: Die Nummer mit der Nummer. Mein Leben mit der Hotline. Rowohlt 2007
Olivia Frank, Markus Gunti: Hallo Rita! Ikoo 1993
Barbara Keesling: SexTalk. Sagen Sie, was Sie wollen – und genießen Sie aufregenden Sex. Ariston 2005
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