Verhütung? Das ist doch Frauensache?! Stimmt! Jedenfalls fast…
Frauen sind diejenigen die schwanger werden können und sorgen sich deshalb noch etwas mehr um das Thema Schwangerschaftsverhütung als Männer. Männer hingegen werden Väter und müssen dafür auch die Verantwortung übernehmen. Bei der Verhütung steht ihnen jedoch eine weitaus geringere Auswahl an Verhütungsmitteln zur Verfügung als Frauen.
In Deutschland ist das meist verwendete Verhütungsmittel die von Frauen eingenommene Anti-Baby-Pille, mit der ca. 52% der heterosexuellen Paare verhüten. Darauf folgt das Kondom mit ca. 45%. Nach der abgeschlossenen Familienplanung entscheiden sich jeweils ca. 5 Prozent der Frauen und Männer für eine Sterilisation, beim Mann wird diese Vasektomie genannt. Die Anwendung aller anderen „weiblichen“ Verhütungsmittel liegt bei unter 5 Prozent.
In der öffentlichen Presse werden hormonelle Verhütungsmittel für Frauen (Pille, Vaginalring, Hormonspirale, Verhütungspflaster, Drei-Monatsspritze usw.) zunehmend kritischer betrachtet. Dies liegt vor allem an möglichen Nebenwirkungen, wie erhöhtem Thromboserisiko, depressiven Verstimmungen und Libidoverlust. Was nutzt die beste Verhütung, wenn sie krank machen kann und Frau keine Lust mehr auf Sex hat? Die Zahl der skeptischen Frauen nimmt zu.
Man könnte davon ausgehen, dass dies ein günstiger Zeitpunkt wäre, umfangreiche Forschungen für „männliche“ Verhütungsmethoden anzugehen – doch leider sieht es da nicht sehr rosig aus. Es gibt einige spannende Ansätze für neue Präparate und Technologien, doch derzeit sind die Forschungen durch die Pharmaindustrie nahezu vollständig auf Eis gelegt. Es scheint so, dass mit Verhütungsmitteln für Frauen so viel Geld verdient werden kann, dass es kein Interesse gibt, andere Produkte zu erforschen und weiter zu entwickeln. Möglicherweise hat dies aber auch sehr viel mit männlichen Vorstellungen von Potenz zu tun –anscheinend ist die Zeugungsfähigkeit ein wichtiges Merkmal von „Männlichkeit“. Auf einem Pariser Kongress zum Thema neuer „männlicher“ Verhütungsmethoden erfolgte der Einstiegsvortrag mit einem Verweis darauf, dass die Forschung nicht nur für neue Verhütungsmethoden wichtig sei, sondern zeitgleich auch erforscht wird, wie die Zeugungsfähigkeit von Männern zunehmen könne. Die Zunahme von Zeugungsfähigkeit könnte als Gegenteil von Schwangerschaftsverhütung wahrgenommen werden – aber vielleicht sind Männer da auch einfach etwas schwer zu verstehen… Um in der Forschung voran zu kommen, müssen sich vor allem auch Männer den gesellschaftlichen Fragen von strukturellem Sexismus und kritischer bzw. positiver Männlichkeit zuwenden.
Heißt das also, dass die Männer selbst schuld daran sind, dass sie die Verhütung nicht selbst in die Hand nehmen können? Wollen sie gar nicht selbst verhüten? Zumindest die 45% der Kondomnutzer und die ansteigende Zahl der durchgeführten Vasektomien zeigen etwas anderes. Im Moment sind dies die einzigen Verhütungsmethoden auf die Männer zugreifen können. Wir werden sie uns deshalb etwas genauer anschauen. Anschließend gibt es noch einen kurzen Ausblick darauf, was es theoretisch für andere Methoden geben könnte. Die Hoffnung auf eine Veränderung des männlichen Verhütungsmarktes stirbt zuletzt.
Coitus Interruptus – keine adäquate Verhütungsmethode
Der Vollständigkeit halber soll der Coitus interruptus, also das herausziehen des Penis vor dem Samenerguss, hier mit aufgeführt werden. In einer alten Weißheit wird treffend gefragt: „Wie nennt man die Paare, die mit Coitus interruptus verhüten? Richtig: Eltern!
Der sogenannte Pearl-Index gibt an, wie viele von 100 Frauen schwanger werden, wenn sie ein Jahr lang mit der gleichen Methode verhüten. Der Pearl-Index von Coitus interruptus liegt bei ca. 30 – d.h. dass 30 von 100 Frauen schwanger werden, die so „verhüten“. Darauf kann Mann sich also nicht verlassen. Angeblich verhüten dennoch 2% der Paare mit Coitus Interruptus – vielleicht die Untentschlossenen, die sich nicht so sicher sind, ob sie ein Kind haben möchten oder nicht.
Das Kondom
Das Kondom, auch als Gummi, Verhüterli, Präservativ, Pariser oder Lümmeltüte bekannt, ist das weit verbreitetste Verhütungsmittel für Männer. Es stellt eine Barriere für die Spermien dar, damit diese nicht in die Vagina gelangen können, um zur befruchtungsfähigen Eizelle vorzudringen. Es hat den großen Vorteil, dass es neben einer möglichen Schwangerschaft auch vor vielen sexuell übertragbaren Infektionen, wie z.B. HIV oder Tripper (Gonorrhoe) schützen kann. Damit eignet es sich insbesondere für Menschen, die Geschlechtsverkehr mit noch unbekannten oder wechselnden Sexualpartner*innen haben.
Das Kondom wird über den steifen Penis abgerollt bevor dieser in die Vagina eindringt. Vor dem Überziehen drückt man die Luft aus dem Reservoir, in dem dann beim Samenerguss das Sperma landet. Die Anwendung des Kondoms ist prinzipiell sehr einfach und auf den Packungen ausführlich beschrieben, es ist aber trotzdem sinnvoll das Überziehen eines Kondoms am Penis zu üben, bevor man damit verhüten möchte.
Kondome sind mittlerweile in allen Supermärkten, Drogerien und auch online sehr leicht erhältlich. Je größer die Packungseinheiten sind, desto günstiger ist das Kondom. Die günstigsten Modelle sind für ca. 10-12 Cent pro Stück erhältlich, können in kleineren Packungen aber auch deutlich teurer sein.
Was viele nicht wissen ist, dass Kondome in unterschiedlichen Größen angeboten werden. Dabei spielt die Länge keine Rolle, sondern nur der Durchmesser des Kondoms. Standardgrößen haben einen Durchmesser (Breite) von meist 52mm. Es gibt engere Kondome, die für schmalere Penisse geeignet sind und weitere Modelle für breitere Penisse. Die geeignete Größe kann Mann mittels eines Kondommaßbandes (Kondometer) herausfinden. Dafür gibt es verschiedene Vorlagen herunterzuladen oder online zu bestellen, beispielsweise bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Da jeder Penis unterschiedlich geformt und gebogen ist, ist es durchaus sinnvoll verschiedene Kondome auszuprobieren, bis das passende Modell gefunden wurde. Ein gut passendes Kondom ist beim Geschlechtsverkehr nicht zu spüren.
Bei richtiger Anwendung ist das Kondom ziemlich sicher, dennoch kann es immer vorkommen, dass ein Kondom abrutscht oder reißt. Männer die noch sicherer gehen möchten, könnten hier zusätzlich zum Kondom den Coitus Interruptus anwenden um außerhalb des weiblichen Körpers zum Samenerguss zu kommen. Der Pearl-Index von Kondomen liegt bei ca. 2-12. Diese hohe Zahl ist auf Fehler bei der Anwendung zurückzuführen. Mann sollte zur Sicherheit stets auf die Unversehrtheit vorm Öffnen achten. Auch das Mindeshaltbarkeitsdatum der Kondome, sowie eine geschützte Lagerung außerhalb von Sonne, Wärme und spitzen Gegenständen sind wichtig.
Vasektomie
Die Sterilisation des Mannes ist mit einem Pearl-Index von 0,1 eine der sichersten Verhütungsmethoden überhaupt. Durch ihren oft endgültigen Charakter sollte eine Vasektomie reiflich überlegt sein und kommt nur für einen bestimmten Teil der Männer in Frage, nämlich für diejenigen, bei denen kein Kinderwunsch (mehr) besteht.
Die Vasektomie ist eine etwa 15-20-Minütige, meist ambulant durchgeführte Operation. Dabei werden die Hoden, unter lokaler Betäubung, mittels Skalpell oder Punktation (Non-Skalpell-Methode) minimal geöffnet. Anschließend werden die Samenleiter durchtrennt und abgebunden und die Öffnung wird wieder vernäht. Der Eingriff birgt normalerweise kaum Gefahren für Nebenwirkungen. In den ersten zwei Wochen ist mit leichten Schmerzen und einem Druckgefühl zu rechnen, welches aber zügig nachlassen sollte. Bis zu 5 % der Männer berichten auch über länger anhaltende Hodenschmerzen und auch wenige Berichte von chronischen Hodenschmerzen sind bekannt.
Die Vasektomie hat keinen Einfluss auf Hormone oder die Spermienproduktion. Die Spermien kommen nicht weiter als bis zur abgebundenen Stelle im Samenleiter und werden dort einfach wieder abgebaut. Da im Sperma nur ca. 3-5 % Spermien vorhanden sind, merken die wenigsten Männer überhaupt eine Veränderung des Spermas. Manche berichten, dass es etwas flüssiger ist als vorher – die Menge und Beschaffenheit ist aber fast die gleiche, nur eben ohne Spermien. Die Unfruchtbarkeit ist nicht sofort nach der OP gegeben sondern erst nach ca. 25 Ejakulationen. Um sicher zu gehen werden zwei Spermiogramme angefertigt, die dem Mann die Unfruchtbarkeit bestätigen. Bis dahin sollte noch mit einer anderen Methode verhütet werden.
Die Kosten der Vasektomie schwanken zwischen ca. 500-1000 Euro, wodurch sie im Vergleich zu anderen Verhütungsmethoden langfristig recht günstig ist. Es ist möglich, die Vasektomie rückgängig zu machen – die Erfolgschancen liegen bei 75%. Allerdings ist dies eine schwerwiegende Operation, die unter Vollnarkose durchgeführt werden muss und mit 2000-6000 Euro auch sehr teuer ist. Da die wenigsten dies wollen, sollte eine Entscheidung zur Vasektomie also gut überlegt sein und auch Themen mitgedacht werden, denen es nicht leicht fällt sich zu stellen. Dies können beispielsweise die Trennung der Partnerschaft und der mögliche Kinderwunsch einer neuen Partnerin sein, aber auch der Tod der eigenen Kinder und ein dadurch wiederkehrender Kinderwunsch.
Es gibt viele Männer und Frauen, die eine Vasektomie als „Entmännlichung“ verstehen. Dies ist eigentlich völlig unbegründet, da sie eben keinen Einfluss auf die körperlichen Vorgänge hat. Hier sind wir wieder beim Thema der Potenz und Zeugungsfähigkeit als wichtigem Symbol für Männlichkeit. Möglicherweise kann eine gute Aufklärung und ein Gespräch mit dem*der durchführenden Ärzt*in viele Ängste nehmen. Die Bedenken sind dennoch nicht zu unterschätzen. Wenn Mann ein ungutes Gefühl hat und sich nicht sicher ist, dann ist die Vasektomie vielleicht für ihn (noch) nicht die richtige Option. Auch die Bedenken einer Partnerin können ein Argument gegen eine Vasektomie sein.
Wenn Vasektomie nicht in Frage kommen sollte, was bleibt dann noch übrig?
Entweder das Ausweichen auf die verschiedensten Verhütungsmittel von Frauen, oder abwarten und Tee trinken. Gendarussa Kräutertee zum Beispiel, der eine verhütende Wirkung hat und als Grundlage für eine Pille für den Mann dienen könnte. Andere Methoden könnten RISUG oder Vasalgel, Hodenwärmende Unterwäsche, oder das Bimek Samenleiter Ventil sein.
Das Bimek Samenleiterventil
Das Bimek SLV ist ein kleines Ventil, was mittels einer Operation in den Samenleiter eingebaut wird. Es ist ungefähr so groß wie ein Gummibärchen. In dem Ventil befindet sich ein Sicherheitsschalter, mit dem man das Ventil schließen kann und dann innerhalb weniger Tage unfruchtbar ist. Entscheidet man sich dann doch für ein Kind, wird die Fruchtbarkeit „auf Knopfdruck“ innerhalb von 24 Stunden wieder hergestellt. Die Forschung ist vielversprechend und wird ausschließlich an männlichen Probanden und nicht an Tieren durchgeführt.
RISUG und Vasalgel
Ebenfalls sehr viel Versprechend ist die Forschung an der Methode „Reversible inhibition of sperm under guidance“(RISUG) welche schon vor über 30 Jahren von Sujoy K. Guha in Indien entwickelt wurde. Sie funktioniert so, dass ein Kunststoffgel in den Samenleiter gespritzt wird, welches sich dort festsetzt und die vorbeifließenden Spermien bewegungsunfähig macht. Es wird deshalb als reversibel beschrieben, da es ein Lösungsmittel gibt, welches den Kunststoff wieder auflöst. Es gab bereits klinische Tests, die aber aufgrund neuer Gesetzeslagen in Indien gestoppt wurden. In den USA wurde das Patent gekauft und unter dem Namen „Vasalgel“ weiterentwickelt. Das Vasalgel wurde an Affen erfolgreich getestet. Der derzeitige Stand der Forschungen wird, wie bei allen männlichen Verhütungsmethoden, in verschiedenen Artikeln und Internetportalen sehr unterschiedlich angegeben. Es ist deshalb unklar, ob und wann die ersten Tests bei Männern zugelassen werden.
Gendarussa Kräutertee und die Pille für den Mann
Die Pflanze „Justicia gendarussa“ wächst in Indonesien und wird dort schon lange zur Herstellung von Kräutertees verwendet. Dabei wurde festgestellt, dass der Wirkstoff „Gendarusin“ eine schwangerschaftsverhütende Wirkung hat. Aus dem konzentrierten Wirkstoff wurde eine pflanzliche Pille hergestellt, die in ersten Tests eine sehr hohe Wirksamkeit hatte. Es gab aber noch keine ausführlichen klinischen Tests und vermutlich müssten diese in Europa oder den USA aufgrund schärferer Gesetze auch erneut durchgeführt werden.
Auch in Australien wird an einer Pille für den Mann geforscht, welche mittels eines chemischen Signals den Transport von Spermien hemmen soll. Sie soll keinen Einfluss auf den Hormonhaushalt des männlichen Körpers und keine Nebenwirkungen auf die Spermienproduktion haben. Sie ist noch nicht für klinische Tests zugelassen und wird dadurch wohl auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine Alternative darstellen.
Hodenwärmende Unterwäsche und Hodenbäder
Wir wissen, dass die Hoden deshalb im Hodensack hängen, weil die Spermienproduktion nur funktioniert, wenn es 2-4 Grad kälter ist als im restlichen Körper. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Spermienproduktion zurückgeht, wenn die Hoden warm werden. Dafür gibt es verschiedene Versuche, die Hoden in den Körper zu schieben und mittels sehr enger Unterhosen oder eines speziellen Rings festzuklemmen. Auch regelmäßige heiße Hodenbäder oder die Erwärmung mittels Ultraschall könnten die Spermienproduktion eindämmen. Es besteht bisher aber keine Klarheit wie Wirkungsvoll diese Methoden wirklich sind. Bisher sind nur Selbsttests von Männern bekannt, die damit recht erfolgreich waren.
Der bisherige Stand aller Forschungen zu neuen männlichen Verhütungsmethoden ist also insgesamt nicht sehr befriedigend. Es braucht mehr Männer die sich lautstark dafür einsetzen, selbst Verantwortung für die Schwangerschaftsverhütung übernehmen zu wollen. Außerdem sollten wir unsere traditionellen Verständnisse von Männlichkeit überdenken und nicht von der Potenz und Zeugungsfähigkeit abhängig machen. Dies wäre ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der vielfältige Lebensweisen abseits geschlechtlicher Zuschreibung möglich sind. Dann können Männer* irgendwann hoffentlich selbst (mit-)entscheiden, ob sie Kinder bekommen wollen oder nicht.
Johannes Reuter, Männernetzwerk Dresden e.V.
* Der Autor verwendet das Sternchen (Asterisk *), um geschlechtliche Vielfalt abzubilden. Es nimmt Menschen aller Geschlechter in den Blick, auch diejenigen, die sich weder als männlich noch als weiblich definieren (wollen). Zugleich beinhaltet es die kategorische Unabgeschlossenheit von Geschlecht.
Quellen und Weiterführende Links (letztmalig abgerufen am 19.12.2018 um 16:00 Uhr):
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2353/umfrage/genutzte-verhuetungsmittel-und–methoden/
https://www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/die-loesung-fuer-alles/wo-ein-wille-ist-auch-eine-pille-85644