Funktionen der Sexualität

Die Sexualität dient vielfältigen Zwecken, erfüllt verschiedene Aufgaben und entspricht verschiedenen Bedürfnissen. Und sie hat unterschiedliche, subjektive Bedeutungen. Die Funktionen der Sexualität stehen in einem dynamischen Wechselverhältnis, und dieses Wechselverhältnis ändert sich ständig.

Welche Funktionen gibt es?

Fortpflanzung

Ursprünglich diente Sexualität der Fortpflanzung. Doch heutzutage bekommen die Deutschen im statistischen Durchschnitt 1,3 Kinder, so dass die Fortpflanzung als Hauptfunktion der Sexualität ausscheidet. Aber was dann?

Lust

Ein Mensch hat durchschnittlich 3.000- bis 8.000-mal (heterosexuellen) Geschlechtsverkehr in seinem Leben. Und warum tut man das? Weil es Lust bereitet. Das bezieht sich nicht nur auf die Befriedigung in Gestalt des Orgasmus, sondern auch und vor allem auf die Lust des Verlangens, das Genießen der sexuellen Erregung, verbunden mit sinnlicher und vitalisierender Wahrnehmung sexuell wirksamer Reize. Die Menschen streben nach sexueller Aktivität wegen der damit verbundenen Empfindungen und Erlebnisse. Sexuelles bewegt die Menschen. Die Sexualität ist mit den größten menschlichen Gefühlen, Leidenschaften, Motiven verbunden. Menschen lieben Sexuelles wegen der damit verbundenen Lust.

Entspannung

Die Lustfunktion steht in enger Verbindung mit der Entspannungsfunktion der Sexualität, nicht nur im Sinne der sexuellen Befriedigung. Nach dem Sex kann man meist hervorragend abschalten, Ruhe finden, ganz bei sich sein, sich ausgeglichen, gelöst und gut fühlen..

Kommunikation

Sexualität kann allein stattfinden – in Gedanken, Träumen, autoerotischen Handlungen (Selbstbefriedigung) oder in erotischen Wahrnehmungen aller Art. Oder sie findet gemeinsam statt, als Interaktion. Diese Kommunikation passiert als und basiert auf einer körperlichen, geistigen und seelischen Verständigung. die idealerweise von Vertrauen getragen wird. Schranken fallen, Misstrauen verflüchtigt sich – und das wird als beglückend empfunden. Die Kommunikation realisiert sich vielfältig in verbaler und nonverbaler Gestalt – egal, ob durch liebevolle, derbe, laute oder leise Worte, durch Lachen oder Weinen, durch Gesten oder Berührungen. Die Kommunikationsfunktion hat vor allem in Form des Zärtlichkeitsaustausches einen überragenden Rang, insbesondere bei Liebenden.

Beziehung

Überaus bedeutsam ist die Beziehungsfunktion der Sexualität. Sexuelle Interaktion wird als Ausdruck einer lebendigen Beziehung und als ein Element betrachtet, das die Beziehung zueinander festigt. Für die allermeisten ist sie ein starker Liebesbeweis, ein Geschehen, dass der Liebe entspringt und sie fördert.

Institutionalität

Die Sexualität findet immer in einer Paargruppe, der Ehe oder einer anderen Gemeinschaft statt. Die Institutionalitätsfunktion beschreibt die Bedeutung der Sexualität für diese Institution. Das klassische Beispiel ist die Legitimation der Sexualität durch die Ehe, was u.a. auch die eheliche Pflicht zum Geschlechtsverkehr beinhaltet hat.

Betätigung

Nur für wenige Erwachsene bedeutet Sexuelles prinzipiell Stress, eher schon Leistung, Anstrengung, Ausarbeitung, Leibesübung: die Betätigungsfunktion der Sexualität.

Kompensation

Dagegen relativ häufig findet man die Kompensation als Funktion der Sexualität. Sie benennt die Tendenz, dass Sexualität Nichtsexuelles ausgleicht, beispielsweise Unzufriedenheit, fehlenden Erfolg, Gefühlsdefizite, Kontaktschwäche, gefährdete Partner- oder Ehebeziehung und vor allem Angst. Die Sexualität “dient im privaten wie im gesellschaftlichen Ausmaß zunehmend zur Beschwichtigung ganz anderer Bedürfnisse und Ansprüche”. Die kompensatorische Funktion droht in diesem Falle andere Funktionen der Sexualität zu ersetzen und zu gefährden und insbesondere Liebessexualität zu entwerten. Andererseits kann eine Kompensation nur wegen der Vitalkraft des Sexuellen gelingen.

Tausch

Sex wird gegen Sex getauscht. Aber Sex kann auch als Leistung, Produkt oder Ereignis vergeben, verschenkt oder verkauft werden; Sexualobjekte können aus- oder eingetauscht werden (z.B. Partnertausch, Menschenhandel). Sexuelle Lust kann seinen Preis haben und selbst zum Preis werden. Sex kann Belohnung und Strafe sein (sexuelle Gewalt, Sexentzug).

Bestätigung

Erheblich für das Sexualwesen Mensch ist die Bestätigungsfunktion der Sexualität. Es ist für Frauen und Männer bedeutungsvoll und erleichternd, ihre Weiblichkeit bzw. Männlichkeit zu fühlen und bestätigt zu sehen, sich als begehrenswert zu erleben. Aber nicht nur das: Mittels und in seiner sexuellen Aktivität sieht sich im Idealfalle der Mensch als Ganzes in seiner Existenz bekräftigt. Er fühlt sich lebendig, wie neu geboren, als ganze Persönlichkeit bestätigt.

Spaß

Sex als Vergnügung und Unterhaltung ist in der jugendlichen Spaßgesellschaft ein logischer Vorgang. Dennoch ist Sexuelles kein Erlebnispark für gelangweilte Konsumenten geworden. Sexuelle Interaktion ist und bleibt für die meisten ein besonderes Ereignis.

Intimität und Nähe

Hinsichtlich dessen, was Sexuelles bedeutet, lassen sich klare Prioritäten ausmachen, die zugleich eine Hierarchie von Funktionen der Sexualität ergeben. An der Spitze der subjektiven Bedeutungshierarchie steht: der geliebten Person nah sein. Für die meisten Erwachsenen besteht eine wichtige Funktion der Sexualität darin, Nähe herzustellen, Wärme zu spüren. Sexuelles ist für sie ein Synonym für liebende und zärtliche Nähe, fürs Aufgehobensein und Wohlfühlen. Die Beziehungsfunktion der Sexualität gewinnt an Bedeutung und wird um die Intimfunktion ergänzt. Mittels des Sexuellen werden eine Intimität und eine Vertrautheit gewünscht, wird Nähe gesucht, die anders so nicht zu finden ist und die Isoliertheit zweier Individuen aufhebt.

Prof. Dr. Kurt Starke

weiterführende Literatur:

Schmidt, Gunter (1986): Das große Der Die Das, Herbstein: März Verlag 1986

weiterführende Links:

In einer US-Studie wurden Menschen dazu befragt, warum sie Sex haben. Den Artikel gibt es in der Online-Ausgabe des “Stern”:
http://www.stern.de/wissenschaft/mensch/

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