Aggressionen

Wenn man sich mit dem Thema Aggression beschäftigt, wird schnell klar, dass in den Fokus des Interesses ein Bereich gerückt ist, der sich vor allem durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Definitionen, Formen und Erklärungsansätzen auszeichnet. Dem Leser soll an dieser Stelle der Hinweis gegeben werden, dass diese Seite somit keine Ganzheitlichkeit in der Darstellung der Thematik beanspruchen kann und in erster Linie einen kurzen Überblick vermitteln möchte.

Definitionen und Formen der Aggression

Der Begriff Aggression leitet sich vom lateinischen “aggredi” ab, das wörtlich übersetzt “herangehen”, “in Angriff nehmen” oder auch “angreifen” bedeuten kann. Der reinen Wortherkunft nach sind Aggressionen demzufolge nicht ausschließlich negativ zu betrachten.

Diesem Grundsatz folgend lassen sich insbesondere in der Psychologie zwei Definitionsansätze, der enge und der weite Aggressionsbegriff, voneinander unterscheiden. Innerhalb der weit gefassteren Definitionen, die eher psychoanalytischen Denkens entstammen, kann jede gerichtete Aktivität als Aggression gelten und somit auch positiv bewertet werden. Vor allem die kindliche Aggression als Ausdruck von Selbstbehauptung und Aggression im Kontext von “Kooperation” und “Wettstreit” seien stellvertretend für eine Reihe von positiv bewerteten Aggressionen erwähnt.

In der sozialpsychologischen Forschung hingegen werden engere Definitionsansätze vertreten. Nach Baron & Richardson (1994) ist Aggression jegliche Form von Verhalten, mit dem das Ziel verfolgt wird, einem anderen Lebewesen, das motiviert ist eine derartige Behandlung zu vermeiden, zu schaden oder es zu verletzen. In diesem Fall werden Aggressionen eindeutig negativ bewertet und deren Nähe zum Gewaltbegriff (siehe Gewalt) erkennbar. Weiterhin lassen sich auf der Grundlage solcher Aggressionsbegriffe verschiedenste Formen von Aggressionen ableiten (verbal oder körperlich, offen oder verdeckt, unprovoziert oder provoziert, vorübergehend oder langanhaltend usw.). Dieses, dem allgemeinen Sprachgebrauch ähnlichere Verständnis von Aggressionen (Aggressionen als bisweilen impulsives, normverletzendes und destruktives menschliches Verhalten zu betrachten), bildet die Basis für eine Reihe von wissenschaftlichen Erklärungsansätzen, die im Folgendem kurz vorgestellt werden sollen.

Aggressionstheorien

Hierfür erscheint zunächst die Unterscheidung in die zwei Hauptströmungen des jeweiligen aggressionstheoretischen Ursprungs sinnvoll. Demzufolge lassen sich Aggressionstheorien entweder dem biologischen oder dem psychologischen Erklärungsansatz zuordnen. Zu den wohl bedeutensten Vertretern des biologischen Ansatzes zählen Konrad Lorenz und Charles Darwin. Die wichtigsten Gemeinsamkeiten des verhaltenswissenschaftliche Ansatzes von Lorenz und des sozialbiologischen Ansatzes von Darwin bestehen in der Auffassung, dass Aggressionen angeboren sind und in erster Linie positive Funktionen erfüllen. Dazu gehören neben der Verteidigung des Lebensraumes, auch der Schutz der Nachkommen und somit die Erhaltung der Art. Insbesondere Lorenz spricht in diesem Zusammenhang von einem angeborenen Aggressionstrieb (-instinkt), der den Organismus permanent mit aggressiver Energie versorgt, die nach dem Dampfkesselprinzip auf Entladung drängt. Hierin gründet dann auch das Problem menschlicher Aggressionen, da zu einem die Möglichkeiten zur Entladung innerhalb einer zivilisierten Gesellschaft reduziert sind und zum anderem der Erwerb gesellschaftlich anerkannter Formen des Aggressionsabbaus vollzogen werden muss.

Die psychologischen Erklärungsansätze sind weitaus zahlreicher und können somit nur exemplarisch dargestellt werden. Dem lerntheoretischen Ansatz zufolge sind Aggressionen als eine Form des Sozialverhaltens nicht angeboren, sondern werden durch Beobachtung eines Modells (Theorie des Modelllernens, Bandura, 1979), welches entsprechend aggressives Verhalten zeigt, erworben. Positive Verstärker (operante Konditionierung) wie soziale Anerkennung können solche Verhaltensweisen dabei fördern. Die sozial-kognitiven Theorien führen Aggressionen auf den frühen Erwerb kognitiver Schemata zurück. Aufgrund eigener Erfahrungen bzw. Beobachtungen werden dann aggressive Verhaltensweisen als legitime Handlungsmöglichkeiten verinnerlicht. Des weiteren lässt sich an dieser Stelle die Theorie der aggressiven Hinweisreize (Berkowitz, 1964) aufführen, bei der angenommen wird, dass die Aggressionsbereitschaft erhöht wird, wenn eine Kombination aus körperlicher Erregung und mit Aggression assoziierten Hinweisreizen wie beispielsweise Waffen, vorliegt.

Männer und Aggression

Bei Männern liegt das Aggressionspotential deutlich höher als bei den Frauen. Dieser Unterschied bezieht sich vor allem auf die Art der Aggression. So zeigen sich bereits ab dem Vorschulalter bei den Jungen mehr körperliche und bei den Mädchen ab dem Grundschulalter mehr verbale Aggressionen. Für die Erklärung dieses Befundes werden neben hormonellen Unterschieden (höherer Testosteronspiegel bei den Männern), auch gesellschaftlich vermittelte Geschlechtsrollen und evolutionäre Aspekte in Betracht gezogen. Die Regulation aggressiver Impulse stellt somit gerade für den jungen pubertierenden Mann, der im weitaus größeren Umfang von körperlichem Wachstum, insbesondere der Skelettmuskulatur (und damit stark zunehmender Körperkraft) betroffen ist, eine zentrale Entwicklungsaufgabe dar.

Thomas John und Sophie Stiehler

Weiterführende Links:

Einführender Text

Theorien zum Erwerb und den Ursachen aggressiven Verhaltens

Humanethologische Aspekte der Aggression (PDF-Datei)

Modelllernen

Bullying – Aggression unter Schülern

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